„Papier macht nur Ärger.“ Als der Senatsmitarbeiter Daniel Jones (Adam Driver) seinen neuen Arbeitsplatz in einer geheimen CIA Aussenstelle betritt, fällt ihm sofort auf, dass es hier weder Drucker noch Papier gibt. Es ist ein neonbeleuchteter fensterloser Raum mit schwerer Eisentür, in dem sich nur Schreibtische mit Lampen und Computern befinden. Nichts soll diesen Raum verlassen, so ein CIA Mitarbeiter. Im Auftrag der Senatorin Dianne Feinstein (Annette Bening) soll Jones hier den, von der Bush Administration im Rahmen des Krieges gegen den Terror bewilligten und durchgeführten, „enhanced interrogation techniques“ auf den Grund gehen. Gemeint sind die in den geheimen CIA Foltergefängnissen vollzogenen Verhöre von Terrorverdächtigen. The Report ist eine wahre Geschichte über einen Beamten, der am Ende einen 7.000-seitigen Bericht erstellte und damit eine Diskussion über die humanitären Werte der US-amerikanischen Gesellschaft in Gang brachte und die Frage aufwarf, wodurch sie sich von ihrem eigentlichen Feind unterscheidet.
Aber der Reihe nach. 2007 berichtet die New York Times davon, dass die CIA Verhörprotokolle von mutmaßlichen Al-Quaida Mitgliedern vernichtet haben soll. Die kalifornische Senatorin Feinstein beauftragt ihren Mitarbeiter Jones eine Untersuchung durchzuführen und dabei Millionen Seiten an Verhörprotokollen zu studieren. Um ihr Anliegen durchzusetzen, soll sein Team je zur Hälfte aus Demokraten und Republikanern bestehen. In jahrelanger zermürbender Arbeit, die immer wieder von Außen zu boykottieren versucht wird, arbeiten sie sich durch die Dokumente. Nach und nach verliert Jones seine Mitarbeiter und steht am Ende alleine da. 2014 wird eine 500-seitige Zusammenfassung des Berichts veröffentlicht. Der gesamte Bericht ist bis heute unter Verschluss.
Im Kern befasst sich der Bericht damit, ob diese Methoden, die unter anderem durch das Waterboarding und die Fotos aus Abu Ghuraib zu unrühmlicher Bekanntheit gelangten, tatsächlich zu neuen Erkenntnissen zur Verhinderung von weiteren Terrorattacken führten. Die CIA beruft sich auf pseudowissenschaftliche Untersuchungen von zwei Air Force Psychologen, die dies bestätigen sollen. Denn nur dann sind derartige Methoden verfassungskonform. Dabei ist schon seit den 1970er Jahren bekannt, dass Geständnisse unter solch unmenschlichen Bedingungen anzuzweifeln sind.
In einer Szene läuft Kathrin Bigelows Zero Dark Thirty im Fernsehen. The Report ist auch als mahnende Weiterführung des Themas zu verstehen. Bigelow erlaubte sich in ihrem Film gewisse Freiheiten und hielt sich nicht ganz an die Realität. Vor allem wenn es darum ging, ob es nun relevante Erkenntnisse durch Folter gab oder eben nicht. Ein entscheidendes – wenn auch nur juristisch relevantes – Detail. Bigelow wurde für die explizite Darstellung der Folterszenen kritisiert. Was 2012 schon fragwürdig war, ist es 2019 erst recht. The Report spart seinerseits ebenso nicht mit ausführlichen Folterszenen (vor allem denen des ersten Folteropfers Abu Zubaydah (Zuhdi Boueri)) und da stellt sich die Frage, ob dies notwenig ist. Es gibt sehr wohl andere und effizientere Gestaltungsmöglichkeiten, um die Brutalität von Folter anzuprangern, als sie in vollem Grauen zu zeigen. Hier ist Kritik am Drehbuch von Regisseur Scott Z. Burns angebracht.
Darüber hinaus ist The Report ein solider und spannender Politthriller, der das Beamtentum hochhält. Menschen wie Daniel Jones und Dianne Feinstein stehen exemplarisch dafür, was eine Demokratie ausmacht. Selbst wenn ganz oben oder an Schlüsselstellen eines Staates grobe Fehler passieren, gibt es eine Kontrollinstanz. Auch wenn Missstände nur rückwirkend und sehr schleppend aufgedeckt werde, so entfachen sie doch eine Diskussion darüber, was geht und wo die Grenzen sind.
Adam Driver spielt sich gerade im Charakterfach ganz nach oben. Es ist auch hier gerade seine ungelenke Art und sein alles andere als filmstarmäßiges Auftreten, das seiner Rolle die notwendige Ernsthaftigkeit und Authentizität verleiht. Ein einfacher Beamter. Im ersten Moment blass aber dann trotzdem bestimmt und energisch.
Die immerwährende Frage, ob man aus der Geschichte etwas gelernt hat, darf auch in diesem Fall bezweifelt werden. Neben den beiden Air Force Psychologen war auch die CIA Mitarbeiterin Gina Haspel bei den Folterungen anwesend. Haspel ist seit 2018 als erste Frau Direktorin des zentralen Nachrichtendienstes CIA.
Verfügbar bei Amazon Prime.
THE REPORT | SCOTT Z. BURNS | USA 2019 | 120 Min. |
Neueste Beiträge auf THE REEL THERAPIST
▶︎ KNIVES OUT – MORD IST FAMILIENSACHE
▶︎ ATLANTIQUE
▶︎ ALS HITLER DAS ROSA KANINCHEN STAHL