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Eigentlich beginnt im deutschsprachigen Raum alljährlich im September/Oktober die Kinosaison. Die Award-Season rückt näher. Nachzügler trudeln regulär oft sogar erst im darauffolgenden Frühjahr bei uns ein . Aber so richtig durchstarten möchte das Filmjahr bisher nicht. Nachwirkungen des Streiks der Autoren in Hollywood 2023? Die Viennale holt uns da raus! Sie bringt uns verlässlich die aktuellen Festivalhighlights nach Österreich. So finden sich auch in diesem Jahr die Gewinner von Cannes und Venedig im Programm.

Bereits die erste Hälfte der Viennale 2024 hatte schon mehrere Höhepunkte zu bieten. Eröffnet wurde mit C’est pas moi, einem Kurzfilm von Leos Carax (das war für mich keiner). Hier ein Überblick der letzten Tage. Wie immer glaubt man bei Searchlight Pictures (das sind jene, die die 20th Century Fox Fanfare geklaut haben), dass gerade deren Filme mit Mobiltelefonen aufgenommen werden und darum gibt es einen extra Sicherheitsdienst im Saal. Wenigsten haben sie sich in diesem Jahr zurück gehalten. Soviel sei schon verraten: die Angst ist zumindest bei Nightbitch völlig unbegründet. Unwahrscheinlich, dass der Film als Handyaufnahme besser wird.

Titelbild: Szene aus Anora von Sean Baker.

The Room Next Door, Pedro Almodóvar, Spanien 2024, V’24 Features

The Room Next Door, R: Pedro Almodóvar

Tilda Swinton und Julianne Moore: die Besetzung von Pedro Almodóvars erstem englischsprachigem Film lässt Filmfanherzen höher schlagen. Diesmal widmet sich der Regisseur dem Thema Sterbehilfe. Aber keine Angst. Das Thema ist ernst aber er wählt eine weniger beschwerliche Herangehensweise. Wir danken es ihm. Die schauspielerischen Leistungen sind formidabel (Swinton spielt Mutter und Tochter, als wäre das ganz selbstverständlich und das Publikum ist mehr als verblüfft und irritiert), Sets und Farbgebung wie immer ein Gedicht. Eine wie immer souveräne Regiearbeit, die aber gleichzeitig kontrovers aufgenommen wurde. Noch nie wurde schöner gestorben. The Room Next Door wurde in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet.

The Reel Therapist Bewertung: ★★★★

Kinostart: 24. Oktober 2024

Hors du temps, Suspended Time, Jenseits der Zeit – gespannt entspannt, Olivier Assayas, Frankreich 2024, V’24 Features

Hors du Temps (Jenseits der Zeit – Gespannt Entspannt), R: Olivier Assayas

Zwei Paare verbringen die Zeit des ersten Lockdowns zurückgezogen in einem Landhaus. Allen voran Vincent Macaigne als Regisseur Etienne pflegt diverse Neurosen. Teilweise witzig aber am Ende nicht radikal genug für eine derartig absurde Ausnahmesituation und daher belanglos.

The Reel Therapist Bewertung: ★★ ½

Kinostart: unbekannt

Anora, Sean Baker, USA 2024, V’24 Features

Anora, R: Sean Baker

Es war eine große Freude, als im Mai aus Cannes die Nachricht die Runde machte, dass Sean Baker mit seinem neuen Film mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde (Das Studio Neon hat somit zum vierten Mal in Folge den Hauptpreis erhalten!). Anora handelt von der gleichnamigen Sexarbeiterin in Brooklyn, die spontan einen Kunden heiratet, der, wie sich herausstellt, der Sohn eines russischen Oligarchen ist. Die Mutter ist nicht erfreut und setzt ihre Handlanger auf die beiden an. Schon lange ein Liebling des Independent Kinos, erfährt Baker nun die Aufmerksamkeit, die im gebührt. Mit Anora beweist er Fingerspitzengefühl und leitet ein exzellentes Ensemble durch eine turbulente Geschichte, die Anleihen an Screwball-Komödien nimmt und jede Sekunde am Rande der Eskalation vorbeischrammt. Mikey Madison kämpft in der Titelrolle um Liebe und Anerkennung und zeigt vollen Körpereinsatz. Perfekt getimt. Ein riesen Spaß. Große Empfehlung und ein Höhepunkt der Viennale 2024.

The Reel Therapist Bewertung: ★★★★★

Kinostart: 31. Oktober 2024

Nightbitch, Marielle Heller, USA 2024, V’24 Features

Nightbitch, R: Marielle Heller

Amy Adams spielt eine Frau, die ihre Karriere als Künstlerin aufgegeben hat, um zu Hause bei ihrem Kind zu sein. Sie ist alles andere als glücklich. Einmal durchschlafen ist ihr nicht gegönnt. Eigentlich hasst sei sich in der Mutterrolle. Da bemerkt sie eine seltsame Transformation an ihrem Körper. Ihr Geruchs- und Geschmacksinn intensiviert sich rapide. Sie zieht die Aufmerksamkeit der Hunde in der Nachbarschaft auf sich. Es folgt ein bisschen Bodyhorror. Der Konflikt mit ihrem Ehemann, der meist auf Reisen ist und denkt, sie hat zu Hause ein tolles Leben, hat das Potential sich auf den Kinosaal zu übertragen. Aber alles in allem inkonsequent und zum Schluss viel zu nett.

The Reel Therapist Bewertung: ★★★ ½

Kinostart: 6 Dezember 2024

Daneh anjeer moghadas, The Seed of the Sacred Fig, Mohammad Rasoulof, Deutschland/Frankreich/Iran 2024, V’24 Features

Daneh anjeer moghadas (Die Saat des heiligen Feigenbaus), R: Mohammad Rasoulof

Man kann auf viel vorbereitet sein, aber nicht auf Handyvideos aus dem Iran, die als Folge des Mordes an Zhina Mahsa Amini während der Proteste im Jahr 2022 entstanden sind. In den Sozialen Medien gemieden und jetzt auf der großen Leinwand des Gartenbaukinos.
Regisseur Mohammad Rasoulof vergleicht das Terrorregime des Iran mit einer Sorte des Feigenbaums, die sich parasitär fortpflanzt, indem sie einen Baum tötet, um selbst überleben zu können. Die Saat des heiligen Feigenbaums ist eine Geschichte aus dem Innersten, einer Familie, die am iranischen System der totalen Überwachung und Bespitzelung zerbricht. Ein System, aus dem es kein entkommen zu geben scheint. Eine bedrückend wie starke Story, die gegen Ende hin etwas langatmig wird.

The Reel Therapist Bewertung: ★★★★

Kinostart: 26. Dezember 2024

Le deuxième acte, The Second Act, Quentin Dupieux, Frankreich 2024, V’24 Features

Le deuxième acte, R: Quentin Dupieux

Wer absurde Geschichten liebt, wird bei Quentin Dupieux bestens unterhalten. So auch mit Le duexième acte, diesmal starbesetzt mit Vincent Lindon, Louis Garrel, Léa Seydoux und Raphaël Quenard (aus Dupieux‘ letzten Film Yannick). Immer wieder wird das Publikum abrupt aus der Handlung herausgerissen, weil sich wieder eine neue Erzählebene auftut. Streckenweise irrsinnig komisch aber als Ganzes weniger zufriedenstellend.

The Reel Therapist Bewertung: ★★★ ½

Kinostart: 6. Dezember 2024

A Real Pain, Jesse Eisenberg, USA/Polen 2024, V’24 Features Kieran Culkin and Jesse Eisenberg in A REAL PAIN. Photo Courtesy of Searchlight Pictures, © 2024 Searchlight Pictures All Rights Reserved.

A Real Pain, R: Jesse Eisenberg

Zwei Cousins begeben sich auf eine Reise nach Polen, um den Wohnort ihrer kürzlich verstorbene Tante aufzusuchen. Innerhalb der Reisegruppe, der sie sich anschließen, tun sich einige Spannungen auf, die vor allem von Benji (Culkin) ausgehen, der die anderen durch seine direkte offene Art irritiert. Es ist ein Reise in die Vergangenheit und eine Suche nach der eigenen Identität, der sie auch in das ehemalige Konzentrationslager Lublin führt.
Mit A Real Pain ist Jesse Eisenberg eine unglaublich stimmige Tragikomödie gelungen. Sehr überzeugend: Kieran Culkin. Da kommen Woody Allen Vibes auf. Einzig der permanente Chopin Klangteppich ist etwas nervend. Für mich die große Überraschung der Viennale 2024.

The Reel Therapist Bewertung: ★★★★ ½

Kinostart: 16. Jänner 2025



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