Mit Paul Giamatti, Dominic Sessa, Da’Vine Joy Randolph, Carrie Preston Regie Alexander Payne
Ab 12 Länge 133 Min.
OSCAR KANDIDAT
Nach SIDEWAYS aus dem Jahr 2004 kommt es neuerlich zu einer erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen Regisseur Alexander Payne und Paul Giamatti. In der Tragikomödie THE HOLDOVERS muss sich Giamatti als Professor für Alte Geschichte mit einem Teenager herumschlagen, nachdem die Beiden dazu verdonnert wurden, die Weihnachtsferien auf dem Campus zu verbringen. Es gibt Filme, die verschwinden bald wieder von der Bildfläche, ganz unabhängig von deren Qualität. THE HOLDOVERS hat das Zeug dazu, zu bleiben und taugt zudem hervorragend als Weihnachtsfilm. Sowohl Giamatti, als auch seine Co-Stars Dominic Sessa und Da’Vine Joy Randolph konnten in dieser Saison schon zahlreiche Auszeichnungen mit nach Hause nehmen.
Kurzkritik
Alexander Payne (DOWNSIZING) befördert uns per Zeitmaschine in die Weihnachtsferien des Jahres 1970. Bereits der Trailer zu THE HOLDOVERS erinnert uns an Kinovorschauen aus dem letzten Jahrhundert: Die alten Studiologos, eine vertraute Erzählstimme und der körnige Look stimmen nostalgisch. Der Film selbst versprüht dann auch den Geist der 1970er. Owen Gleibermann (Variety) stellt diesen Ansatz in Frage: Is ‘The Holdovers’ Really ‘a ’70s Movie’? Or Is It the New ‘Green Book’?. Ganz so hart ins Gericht würde ich dann nicht gehen aber es ist ein interessanter Gedanke. Täuscht THE HOLDOVERS nur vor, ein in Film der 70er Jahre zu sein?
Es ist ein filmtheoretisches Gedankenspiel. Dem Unterhaltungswert und der großartigen schauspielerischen Ensembleleistung tut es jedenfalls keinen Abbruch (das sieht im übrigen auch Gleibermann so). Giamatti ist der grantelnde Paul Hanham, Professor für Alte Geschichte an einer Privatuniversität in Neuengland. Seine innere Leidenschaft für sein Fach kann er nur schwer vermitteln. Für ihn sind seine Studenten ohnehin nur verwöhnte Schnösel. Er straft sie mit schlechten Noten. Das verärgert dann auch den ein oder anderen Sponsor, dessen Sprössling in Hunhams Klasse sitzt.
Zur Strafe quasi muss sich Hunham um all jene Studenten kümmern, die über Weihnachten nicht nach Hause fahren können. Ein Babysitter für Oberstufenschüler sozusagen. Das hat der ohnehin griesgrämige Pessimist noch gebraucht. Am Ende bleibt nur Angus Tully, gespielt in Dominic Sessa zurück. Dazu gesellt sich die Küchenchefin Mary, die gerade ihren Sohn im Vietnamkrieg verloren hat. Da’Vine Joy Randolph (ONLY MURDERS IN THE BUILDING, THE LOST CITY) ist die Seele des Filmes. Es ist unbeschreiblich, wie sie mit ihrer schauspielerischen Kraft die Leinwand einnimmt.
Im Hintergrund spielt der historische Kontext der Zeit durchaus eine Rolle, wenn auch nur andeutungsweise (vergleiche hierzu ARMAGEDDON TIME aus 2022). Nicht nur durch den Vietnamkrieg, an dem die USA Ende der 1960er bereits 5 Jahre beteiligt sind. Die Rassentrennung hat so mancher Student noch nicht überwunden. Hunham möchte, dass seine Studenten gerüstet sind für ihr zukünftiges Leben. Im Lernen von der Vergangenheit liegt für ihn der Schlüssel. Einmal sagt er „the world is on fire“. Jede Zeit hat ihre Konflikte. Man kann nur erahnen, dass Menschen aus der damaligen Zeit wohl mit den heutigen Herausforderungen heillos überfordert wären.
Es ist eine Melange aus DER CLUB DER TOTEN DICHTER und THE BREAKFAST CLUB, die uns Alexander Payne hier serviert. Das Trio begibt sich bald auf Exkursion und wir befinden uns in einem Roadmovie. Natürlich kommt sich die Schicksalsgemeinschaft näher. THE HOLDOVERS ist komisch, tragisch, warmherzig und rührend zugleich. Der Soundtrack spannt sich von Shocking Blue, Cat Stevens und The Temptations bis zur Familie Trapp. Ein Lieblingsfilm.
TITEL The Holdovers, USA 2023
Tragikomödie Ab 12 Länge 133 Min.
Regie Alexander Payne Drehbuch David Hemingston Kamera Eigil Bryld Schnitt Kevin Tent
Musik Mark Orton Mit Paul Giamatti, Dominic Sessa, Da’Vine Joy Randolph, Carrie Preston
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