Border

Als Border beim letzten /slash Filmfestival in Wien gezeigt wurde, hätte man während des Nachspannes die buchstäbliche Nadel im Heuhaufen fallen hören können. Alle waren irgendwie perplex. Die Welt, in die uns Regisseur Ali Abbasi für knappe zwei Stunden entführt, verlangt dem Publikum einiges ab. Manche mag es überfordern. Für Freunde des Fantastischen Films ist Border jedenfalls ein Pflichttermin.

Tina (Eva Melander) ist eine Zollbeamtin an der schwedisch-dänischen Grenze. Ihr Gesicht, mit den tiefliegenden Augen und den Schwellungen, hat animalische Züge und erinnert irgendwie an eine massive allergischen Reaktion. Für ihren Job bringt sie jedoch eine vorteilhafte Gabe mit. Sie kann die Angst von Menschen riechen. So steht sie nun schnaufend beim Zoll und gibt ihren Kollegen ein Zeichen, wenn sie etwas Auffälliges riecht. Das funktioniert solange gut, bis ihr eines Tages der ihrer Physiognomie ähnelnde Vore (Eero Milonoff) gegenübersteht. Tina ist irritiert und gleichzeitig übt Vore eine unbekannte Faszination auf sie aus. Eine schicksalhafte Begegnung durch die sich die naturverbundene und zurückgezogen in einem abgelegenen Haus im Wald lebende Außenseiterin mit ihrem eigenen Wesen auseinandersetzen muss. Mehr über den Inhalt zu verraten, würde dem Film nichts Gutes tun.

Ein Bad im Waldsee. Was für eine Freude.

Es sind viele Themenkomplexe von Rassismus über Identitätensuche bis skandinavischer Mythologie, die Abbasi hier anschneidet. Für ihn erlaubt es der fantastische Film, die Gesellschaft von einer anderen Perspektive aus zu betrachten. Dabei bleibt er schonungslos. Border ist in seiner Radikalität kein bequemer Film. Er überzeugt durch Düsternis, Umvorhersehbarkeit, Konsequenz und sein Ensemble.

Melander und Milonoff mussten bereits vor Drehbeginn viele Stunden für das Auftragen der Silikonmasken aufwenden (Die Mühen wurde mit einer Oscar Nominierung für das Makeup belohnt.) Trotz der zentimeterdicken Maske ist der schauspielerische Ausdruck erstaunlich intensiv.

Nun, Border ist ein großartiger Film und für all jene interessant, die sich im Kino nach etwas völlig anderem sehnen. Ein modernes Märchen, verstörend und faszinierend zugleich. In gewissem Sinne ist Border selbst ein Außenseiter, in einer Zeit in der es meist darum geht, immer wieder ähnliche Inhalte wiederzukäuen. Damit einher geht die Notwendigkeit, möglichst schnell aus den Köpfen der Menschen zu verschwinden. Die Aufmerksamkeitsspanne soll vielleicht gerade noch solange anhalten um über den Kinobesuch hinaus eine im Kontext der weiteren Vermarktung relevante Investition zu tätigen. Border wiederum lässt sein Publikum so schnell nicht wieder los.

ALI ABBASI | SWE/DNK 2018 | OT: GRÄNS | 110 Min. | 4 out of 5 stars

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