Einer der meist herbeigesehnten Filme des Jahres ist nach einer langen und turbulenten Produktionsgeschichte nun endlich in den Kinos angekommen. Eines vorweg: In den Kommentaren dazu fliegen die Fetzen. Fans sind entrüstet. Es gibt mehrere Möglichkeiten sich diesem Biopic um Freddie Mercury, dem Frontman von Queen, anzunähern.
Der Film startet mit einer eigens arrangierten Version der „Fox-Fanfare“ von 20th Century Fox. Was folgt ist ein 21 Nummern umfassender Soundtrack. Alle Nummer 1 Hits von Queen sind dabei. Das für Mercury so wichtige Barcelona nicht. Es sind Auslassungen und die Gewichtung der Handlung auf die Jahre 1970 bis 1985, sechs Jahre vor Mercurys Tod, die Kritiker verstimmen. Dabei ist Bohemian Rhapsody kurzweilig, unterhaltsam und wartet mit einer tollen Darstellerriege auf, allen voran der großartige Rami Malek als Freddie Mercury. Aber der Film ist auch familientauglich und wer Mercurys Lebenswandel kennt, weiß, dass dies nicht ganz zusammengeht.
Mercurys Eskapaden werden nur angedeutet. Vielleicht wollten die verbliebenen Bandmitglieder sein Vermächtnis nicht beschädigt sehen. Womöglich ist das ein Grund, warum es rund um das Projekt fast 20 Jahre immer wieder zu künstlerischen Differenzen kam und ein Darsteller nach dem anderen absprang. Darüber, wann wer von seiner Krankheit erfahren hatte gibt unterschiedliche Aussagen. Aus dramaturgischen Gründen teilt Mercury im Film seinen Bandmitgliedern während der Proben zum Life-Aid-Konzert mit, dass er am HIV-Virus erkrankt ist. Damals wusste er selbst noch nichts davon. Mehr als einmal blutiger Husten zeugt nicht von seinem Leiden. Warum man sich dazu entschlossen hat und seine letzten Lebensjahre komplett ausspart, bleibt unverständlich. Der Film endet mit einer peniblen Rekonstruktion des Live-Aid Auftrittes. Jeder Colabecher auf dem Klavier steht an seinem Platz. Jede Bewegung stimmt. Bohemian Rhapsody ist ein Meisterwerk der Imitationskunst.
Es ist eine Freude Rami Malek zuzuschauen. Die anderen Bandmitglieder sind mit Ben Hardy (Roger Taylor), Joseph Mazzello (John Deacon) und Gwilym Lee (Brian May) exzellent gecastet. Die Ähnlichkeiten verblüffend. Mike Myers ist Ray Foster, jener Produzent der einst Bohemian Rhapsody als Singleauskoppelung abgelehnt hatte. Er hätte „I’m in love with my car“ bevorzugt. Gerade aus Myers Mund zu hören, niemand würde zu Bohemian Rhapsody im Auto singen, ist ein gelungener Scherz. Viele werden sich noch an die legendäre Szene in „Wayne’s World“ erinnern. Lucy Boynton ist Mary Austin, Mercurys Langzeitfreundin. Das hin und her in ihrer nicht leichten Beziehung wird glaubwürdig dargestellt. Mercury hat ihr einen Großteil seines Vermögens vermacht. Sein Freund in späteren Jahren, Jim Hutton, wird von Aaron McCusker verkörpert.
Trotzdem wird Bohemian Rhapsody dem Musiker und mitreißenden Showman Freddie Mercury gerecht. Dass sein Privatleben, dort wo es ausgelassen wurde, ausgespart wird, bleibt ein Wehrmutstropfen. Was man bekommt ist ein buntes und unterhaltsames Hitfeuerwerk. Da können schonmal die Sitzreihen zu wackeln beginnen.
Brian Singer wird zwar offiziell als Regisseur geführt, wurde aber mitten in den Dreharbeiten von Dexter Flechter abgelöst, nachdem Vorwürfe wegen sexueller Belästigung gegen ihn aufkamen. Aber auch das ist nur eine mögliche Version der Geschichte. Den Film, den sich viele gewünscht haben, hätte aber wohl eher einer wie Abel Ferrara machen müssen.
Brian Singer/Dexter Flechter | USA/UK 2018 | 135 Min. |