Die Geschichte beginnt mit einem postalischen Versehen. Ein von der Wilden 13 entführtes und an einen Drachen verkauftes Baby landet irrtümlich anstatt in Kummerland auf der klitzekleinen Insel Lummerland. Als König Alfons der Viertel-vor-Zwölfte (Uwe Ochsenknecht) die örtliche Bahnstrecke Jahre später wegen Überbevölkerung und Platzmangel einstellt, begibt sich der Bub (Solomon Gordon), der von den vier Bewohnern liebevoll Jim Knopf genannt wird, mit dem Lokomotivführer Lukas (Henning Baum) und der Lokomotive Emma auf eine abenteuerliche Reise.
Nach den bekannten Adaptionen der Augsburger Puppenkiste und einer Zeichentrickserie kommt nun eine Realverfilmung von Michael Endes 1960 erschienen weltberühmten Roman in die Kinos. Knallbunt ist sie geworden und voll schräger Figuren. Dem Regisseur Dennis Gansel ist die Bedeutung früherer Adaptionen bewusst und so scheint sein Lummerland der Augsburger Puppenkiste entsprungen zu sein. Natürlich ist Jim Knopf auch großes Spezialeffekte-Kino um die phantasievolle Welt Endes entsprechend umsetzen zu können.
Zumindest bezüglich der Werktreue wäre Michael Ende diesmal wohl zufriedengestellt gewesen. Die Verfilmung von „Die unendliche Geschichte“ hatte ihn noch dermaßen aufgeregt, dass er die Produktionsfirma verklagte und seinen Namen aus dem Vorspann streichen ließ. Die kapitelweise Abarbeitung der einzelnen Abenteuer im Laufe des Filmes bringt ihn allerdings um seinen finalen Höhepunkt. Die Konfrontation mit dem Drachen Frau Mahlzahn ist dann nur mehr eine Station von vielen.
Für die Kinder im Publikum bedeutet das aber durchwegs Hochspannung. Nach dem düsteren Intro sind die sonnigen Szenen auf Lummerland ein guter Einstieg in die Geschichte. Sobald das eigentliche Abenteuer losgeht, leben die Kleinen im Kinositz regelrecht mit. Jim Knopf ist dabei eine ideale Identifikationsfigur. Die einzelnen Sequenzen, wie die stürmische See oder das einstürzende Tal der Dämmerung, verlangen nach einer Schulter zum Anlehnen. Zumindest für Kinder unter 8 Jahren. Je nach Kinoerfahrungen ist der Film wohl auch erst ab diesem Alter geeignet. Schließlich stehen auch die Soundeffekte denen von Actionfilmen für Große um nichts nach.
Henning Baums Lukas ist ein liebenswerter Brummbär alla Bud Spencer und eine väterliche Figur für Jim. Eine Szene im fernen Mandala ist eine Hommage an die damaligen Faustkämpfe und die Stereowatschen. Frau Waas (Annette Fries) ist die Ziehmutter und neben Herrn Ärmel (Christoph Maria Herbst) eine weitere Bewohnerin von Lummerland. Uwe Ochsenknecht kann sich als verwirrter König sichtlich vergnügt austoben.
Jim Knopf ist ein Plädoyer für Weltoffenheit und Neugierde und kommt daher gerade recht. Figuren wie der Scheinriese Tur Tur (Milan Peschel), der in weiter Ferne riesig erscheint aber aus der Nähe klein ist, zeigen, dass Andersartige zu Unrecht gefürchtet werden. Aus der Welt der Volldrachen ausgeschlossene Halbdrachen verdeutlichen rassistische Mechanismen. Jims Hautfarbe wird letztlich von ihm selbst und der Frage nach seiner Herkunft thematisiert. Im Deutschland der 1960er waren schwarzafrikanische Kinder keine Seltenheit. Eine Folge der amerikanischen Besatzungszeit. Die Kinder wurden vielfach in den USA zur Adoption frei gegeben. Heute ist die Situation anders. Für die Rolle des Jim Knopf musste andernorts gecastet werden. Fündig wurde man mit Solomon Gordon in Großbritannien.
Dennis Gansel | D 2018 | 110 Min. |
Foto © Warner Bros