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In den 1960er Jahren stöckeln sogar die Frauen vom Reinigungstrupp in High Heels durch die grauen Gänge des Aerospace Research Center. Eines Morgens schiebt Elisa ihren Putzwagen mit einem breiten Lächeln und knallroten Schuhen voran. „Habt ihr?“ fragt ihre Kollegin Zelda neugierig. Ein breites, verlegenes Grinsen ist die Antwort. Eines der vielen Details in Guillermo del Toros neuesten Werk und wer den Regisseur kennt, der weiß, dass er sich so seine Gedanken macht. Dementsprechend reich an Andeutungen und Verweisen sind seine Fantasiewelten. Sex macht glücklich ist eine der Botschaften in dieser Geschichte, die ein Märchen ist, weil Elisas Zuneigung keinem Menschen gilt.
Elisa, gespielt von Sally Hawkins, ist stumm. Sie lebt in einer Wohnung, die einem der Filme entsprungen sein könnte, die eine Etage tiefer in einem Filmpalast auf der großen Leinwand gezeigt werden. Alles schwelgt hier in Nostalgie. Mit ihrem schwulen Nachbarn Giles (Richard Jenkins) verbringt sie gemeinsame Fernsehabende. Es ist das goldene Zeitalter der TV-Shows aber auch die Hochblüte von Rassismus und Frauen verachtender patriarchaler Gewalt inmitten des Kalten Krieges. Die energische Zelda (Octavia Spencer) nimmt die verträumte und stetig unpünktliche Elisa unter ihre Fittiche. Sie ist als Afroamerikanerin eine weitere Außenseiterin in der düsteren und streng geheimen Forschungsstation und verleiht dem Film einen gewissen Drive.
Eines Tages wird ein Wassertank aus dem Amazonasgebiet angeliefert, in dem sich der Schlüssel zum Sieg über Russland befinden soll. Ein menschenähnliches Amphibienwesen, mit Hilfe des Motion Capture Verfahrens verkörpert von Doug Jones, soll für Forschungszwecke herhalten, was einem Todesurteil gleich kommt. Schnell wird es als Monster mit besonderen Fähigkeiten abgestempelt – der große Wert der Entdeckung wird nicht erkannt.
Elisa ist fasziniert von diesem Wesen, dem genauso mit Ablehnung begegnet wird, wie ihr selbst und nähert sich ihm an. Als sie beobachtet, wie Laborleiter Richard Strickland (Michael Shannon) den Amphibienmann misshandelt, schmiedet Elisa gemeinsam mit ihren Freunden einen Plan.
Strickland entpuppt sich als das wahre Monster in dieser Geschichte. Er geht nicht nur gegen den Amphibienmann mit äußerster Brutalität vor, sondern ist geradezu ein Paradebeispiel für Machtmissbrauch. In einer zentralen, wie komischen Szene auf der Toilette, erklärt er gegenüber den verdutzten Putzfrauen, dass Händewaschen nur etwas für Weicheier ist.
Del Toro taucht Elisas Welt in sattes Grün. Aus visueller Sicht ist „The Shape of Water“ ein Meisterwerk. Die düstere Farbdramaturgie und Setdesign lassen keine Wünsche offen und erinnern an Jean-Pierre Jeunets „Delicatessen“. Dabei wollte del Toro erst gar nicht viel zitieren, außer den Verweis auf den Kiemenmenschen aus „Der Schrecken vom Amazonas“ (Jack Arnold, 1954). Allerdings vermag die Liebesgeschichte nicht so zu berühren, wie man sich das vorstellen würde. Es stellt sich die Frage nach der Glaubwürdigkeit inmitten des pointierten Schnittes zwischen Stech- und Eieruhr und der träumerischen Musikuntermahlung von Alexandre Desplat. Zuviel hat del Toro in sein Werk versucht hineinzustopfen. Eine Hommage an das Kino von Technicolor, Horror- und Tanzfilme, zu einer Zeit als sich russische Agenten im Nebel mit Informanten trafen.
Aber trotzdem: Seit der Premiere bei den Filmfestspielen in Venedig letzten Herbst ist del Toro mit seiner Produktion auf einem unaufhaltsamen Siegeszug. Aus Italien fuhr er mit einem Goldenen Löwen nach Hause und in den folgenden Monaten erhielt er fast sämtliche bedeutende Regiepreise, wie den Golden Globe, den Critics’ Choice Movie Award oder die Auszeichnung der Directors Guild. Zu Oscar Verleihung tritt er mit stolzen 13 Nominierungen an. „The Shape of Water“ scheint den Geschmack des europäischen Festivals ebenso zu treffen, wie den der Verbände in den USA. Der Regie Oscar gilt als ausgemachte Sache.
„The Shape of Water“ läuft im Gartenbaukino im Original mit Untertiteln. Darüber hinaus gibt es vom 9. bis 22. März eine Werkschau aller Filme von Guillermo del Toro und als Bonus „Creature from the Black Lagoon“ in 3D.
Guillermo del Toro | USA 2017 | 123 Min. |