Western

Ein Trupp deutscher Bauarbeiter wartet in der Gluthitze auf einer Kraftwerksbaustelle in Bulgarien auf Nachschub. Der Kies ist aus und das Wasser knapp. Die Männer haben sich eine Art Außenposten aufgebaut und eine Deutschlandfahne gehisst. Hier am Rande Europas, in einer vermeintlichen Wildnis, dürfen die Männer ihrer Männlichkeit freien Lauf lassen. Der erste Kontakt mit Bewohnerinnen des nahen Dorfes verläuft dementsprechend ungünstig.

Der Baggerfahrer Meinhard, gespielt von Meinhard Neumann, ist ein wortkarger Einzelgänger und nähert sich der lokalen Bevölkerung zuerst auf eine ruppige Art und Weise, trifft aber bald auf seinesgleichen. Trotz sprachlicher Barriere versteht man sich schnell. Bei seinen Kollegen schürt das Misstrauen. Vor allem der Vorarbeiter Vincent (Reinhardt Wetrek) fühlt sich um seinem Status bedroht, ist aber selbst nicht in der Lage es Manfred gleich zu tun, zu groß sind die Vorbehalte gegenüber den Fremden und zu beschränkt sind seine Mittel um sich zu artikulieren. 

Die deutsche Regisseurin Valeska Grisebach verarbeitet gekonnt Elemente des Western Genres in einer Geschichte um Arbeitsmigration und Fremdenfeindlichkeit. Anstelle von Pistolenhalftern tragen die Bauarbeiter Werkzeuggürtel und reiten auf ungesattelten Pferden durch eine mystifizierte wilde Landschaft. Ihr Camp gleicht dem Außenposten einer Kavallerie. Durch ihr Auftreten werden sie als Eindringlinge empfunden, obwohl sie eigentlich mit dem Bau eines Wasserkraftwerks die Infrastruktur verbessern sollen. Hinzu kommt die gemeinsame historische Vergangenheit. Soldaten der Wehrmacht kämpften an der bulgarischen Grenze gegen die Griechen. Es ist dieser Subkontext, der Grisebach dazu veranlasste, in dieser Region zu drehen.

Sämtliche Darsteller sind Laien. Grisebach castet ihre Darsteller auf der Straße. Den Dreharbeiten geht eine lange Phase der Vertrauensfindung voran. Für sie der gewohnte Weg. Das Ergebnis ist beeindruckend. 

Bereits seit den 1990ern gibt es die Arbeitsmigration in den Osten. Gerade größere EU-Projekte werden eher von westlichen Firmen umgesetzt. Nur sie haben die Ressourcen, um die aufwändigen bürokratischen Verfahren abwickeln zu können. Für die Arbeiter scheint das Angebot verlockend. „Was suchst du hier?“ fragt Adrian (Syuleyman Alilov Letifov) am Ende seinen deutschen Freund Meinhard. Ist es die Suche nach Freiheit und Unabhängigkeit? Fernab von zu Hause können sich die Männer neu Erfinden, nur um dann feststellen zu müssen, dass sie dieselben sind und dort wie da mit den Problemen des Alltags zu kämpfen haben. Frei und unabhängig, aber einsam sind sie.

Western ist einer der Höhepunkte der gerade zu Ende gegangenen Viennale und im Stadtkino im Künstlerhaus zu sehen, am 7.11. darüber hinaus um 18:00 im Rahmen des Lux–Filmpreis bei freiem Eintritt im METRO Kinokulturhaus.

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Valeska Grisebach D/A/BG 2017 119 Min.

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