Animals 6

Dass sich Frau und Mann nicht unbedingt immer in ein und der selben Realität bewegen müssen, ist ein beliebtes Thema des Feuilletons. Der 2007 verstorbene Regisseur Jörg Kalt treibt es mit seiner Erzählung allerdings auf die Spitze. Mehr aneinander vorbeireden und vorbeileben als das Paar in „Tiere“ ist nicht möglich. Fast könnte man meinen, die beiden befinden sich in unterschiedlichen Dimensionen.

Nick, der Koch (Philipp Hochmair) und die Kinderbuchautorin Anna (Birgit Minichmayr) nehmen sich in der Schweiz eine halbjährige Auszeit. Vor allem auch, um die Beziehung zu retten. Anna vermutet eine Affäre. Nicht zu unrecht. Auf dem Weg zu einer abgelegenen Almhütte haben sie einen Autounfall mit einem Schaf. Spätestens ab dann gerät so einiges durcheinander und man fragt sich, ob man dem noch trauen kann, was man zu sehen bekommt.

Anna zweifelt bald an ihrem Verstand, sieht Doppelgänger und verliert immer mehr Raum- und Zeitvorstellung. Wie lange sind sie nun schon auf der Hütte? Einen Tag oder gar schon seit Wochen? Ist gerade Tag oder Nacht? – klingt im ersten Moment lächerlich, ist aber gekonnt umgesetzt.

Die Beziehungskrise steht im Zentrum aber der Form in der erzählt wird, gilt das Hauptaugenmerk. Bereits in der allerersten Szene stürzt sich eine Frau aus dem Fenster. Man hört den Aufprall. Als die Kamera auf die Straße hinunter schwenkt, ist da jedoch nichts von einem leblosen Körper zu sehen. Die Geschichte wartet mit einer mitunter verwirrenden Montage auf und Freunde von Anschlussfehlern kommen voll auf ihre Kosten.

Regisseur Greg Zglinski schien das Drehbuch von Kalt – der konnte es nicht mehr verfilmen – nie ganz verständlich aber es zog ihn in seinen Bann und ließ ihn bis heute nicht mehr los. Gut so. „Tiere“ möchte vieles sein – Psychodrama, Mysterythriller, Liebesgeschichte und Komödie – und ist dabei zumindest einmal sehr unterhaltsam geworden, wenn man sich auf eine Geschichte einläßt, die mit sämtlichen Erzählnormen bricht und mit allerhand Symboliken, wie verschlossenen Türen und schwarzen Katzen aufwartet. Die großartige Besetzung macht das aber nicht schwer.

„Tiere“ ist im wahrsten Wortsinn unheimlich komisch. Lynch und Lanthimos wurden als Vorbilder schon mehrmals genannt. Die Zuschreibung ist treffend. Würden sie eine Komödie verfilmen, dann sehe das Ergebnis in etwa so aus. Anders als in Mysterythrillern, die am Ende mit einer enttäuschend simplen Auflösung daherkommen, darf man sich hier keine Erklärungen erwarten. Jörg Kalt hat darauf verzichtet und das macht auch den Reiz dieser ambitionierten Verfilmung aus.

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Greg Zglinski, CH/A/POL 2017 94 Min.

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